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Contested Modernities.
25. September 2021 | 11:00 – 26. September 2021 | 18:00
Mit der Erlangung der Unabhängigkeit Mitte des 20. Jahrhunderts wandelte sich das Erscheinungsbild vieler Städte in Südostasien. Hand in Hand mit der Aufgabe, sich als Nation zu konstituieren, ging der Wunsch nach einem symbolträchtigen Neubeginn in Architektur und Städtebau. Die Internationale Moderne lieferte das ästhetische Programm, in dem sich die Erwartungen an Fortschritt und Wohlstand spiegelten, und das gleichzeitig dazu diente, sich von den Kolonialmächten zu emanzipieren. Mit dem Wissen um klimatische Anforderungen des Bauens in tropischen Regionen und kulturelle Spezifika entstanden lokale Modernen, die lange das Bild der Städte prägten. Rasante Urbanisierungsprozesse, eine häufig politisch motivierte Neubewertung der eigenen Baugeschichte und neue Nutzungsanforderungen führen heute dazu, dass die baulichen Zeugnisse dieses Aufbruchs abgerissen oder durch massive Umbauten zerstört werden. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der postkolonialen Architektur in der Region zunehmend thematisiert. Damit einher geht die Kritik an der verbreiteten Deutung der Moderne als originär westliche Bewegung. In Deutschland sind die Bauten der südostasiatischen Modernen und die aktuellen Diskussionen um ihren Erhalt kaum bekannt. „Contested Modernities“ bringt nun den südostasiatischen Diskurs beispielhaft nach Berlin, wo aktuell erstaunlich ähnliche Diskussionen um das baukulturelle Erbe der Moderne geführt werden. „Contested Modernities“ ist Teil des langfristig angelegten Programms Encounters with Southeast Asian Modernism, welches 2019 mit Ausstellungen und Veranstaltungen in Phnom Penh, Jakarta, Yangon und Singapur begann. Fünf kuratorische Teams setzten sich dort auf unterschiedliche Weise mit der Bedeutung der lokalen Architekturmodernen auseinander. Die Ausstellung führt diese Beiträge in Berlin zusammen. Dokumentarische Projekte, Interviews und künstlerisch-forschende Arbeiten vermitteln einen beispielhaften Einblick in die Auseinandersetzungen, wie sie in den jeweiligen Städten geführt werden. Ergänzt werden diese Beiträge um einen Blick auf die Rolle der beiden deutschen Staaten im Modernisierungsprozess Südostasiens in der Zeit des Kalten Krieges. Der Ausstellungsteil „Poelzigs Enkel und die Platte in den Tropen: Deutsche Einflüsse in Südostasien“ der Berliner Initiator:innen versucht zum ersten Mal eine Bestandsaufnahme planerischer und baulicher Aktivitäten mit Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in einigen Ländern Südostasiens von den 1950er bis 1970er Jahren. Neben den konkreten Planungs- und Bauprojekten geht es auch um die Architekturausbildung, die ebenfalls von Akteuren wie Julius Posener beeinflusst wurde. Das Haus der Statistik als Ausstellungsort stellt dabei einen direkten Bezug zum Thema der Ausstellung her. Errichtet als administratives Gebäude an zentraler Stelle der Stadt, stand es nach der Wende leer und war zum Abriss vorgesehen. Dank zivilgesellschaftlichem Engagement und einer aufgeschlossenen Verwaltung konnte dies jedoch abgewendet werden. Nach dem Umbau soll das Haus in Zukunft als Modellprojekt Kultur, Soziales, Bildung, bezahlbares Wohnen und Verwaltungsnutzungen an diesem besonderen Ort vereinen. Im Zusammenspiel mit den Themen, die die Beiträge aus Südostasien präsentieren, möchte „Contested Modernities“ einen gemeinsamen Denkprozess eröffnen, der neue Perspektiven der Wahrnehmung und des Umgangs mit der Architektur der Modernen hier und dort verhandelt.